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Bis heute kommt Vera Bonsen gerne auf ihre Studienzeit in Venedig zu sprechen, wo sie Bühnen - und Kostümbild studierte. Diese Stadt hat sie geprägt und nicht mehr losgelassen, fasziniert von der Architektur, den filigranen Mosaiken und Intarsien und der Malerei alter Meister. Ihre Liebe zum Detail, zu Material, Stofflichkeit und Sinnlichkeit der Farbe haben hier ihren Ursprung und wurden zur Quelle künstlerischer Inspiration.
Eine wichtige Voraussetzung für die Hinwendung zur Objekt – und Papierkunst bildet ihre langjährige, berufliche Theaterarbeit: Bühnenmodelle und Kostümentwürfe für Oper, Schauspiel, Ballett waren ihre Domäne. Daher verfügt sie über große Erfahrung im technischen Zeichnen, Versiertheit im Umgang mit Materialien wie Karton, Pappe, Wellpappe. Sie selbst beruft sich immer wieder auf dieses Potential, aus dem ihre heutige, künstlerische Arbeit schöpft und weiter entwickelt wird.
Material, Struktur, Farbe und Raum sind wichtige Aspekte ihrer Papierarbeiten und rücken sie in die Nähe der konkreten Kunst. Objekte wie Papierschnitte gehen von exakten Konstruktionszeichnungen aus, werden aus vielen Einzelteilen gebaut und zusammengesetzt oder in mehreren Lagen von Papier geschnitten. Neben der Liebe zu Geometrie und seriellen Ordnungsstrukturen gibt es auch noch eine andere Seite mit Neigung zur organischen Formsprache wie etwa der Wellenform. Nicht zu vergessen die Bedeutung der sinnlichen und vielschichtigen Farbigkeit!
Der entscheidende Ansatz für ihre Werkentwicklung gelingt Vera Bonsen mit den Wandobjekten der Triptychen in monochromen Farben von Grau und Blau („Triptychon III/IV“ / 2012/2013), die an die Form des klassischen Altarbilds anknüpfen. Die einzelnen Elemente der Tafeln sind kompakt geschichtet und fest montiert, doch die Strenge der Oberflächen wird aufgebrochen durch rhythmische Wiederholung und Variation der plastischen Strukturen. So entsteht der Eindruck kontinuierlicher, fließender Bewegung mit meditativem Charakter.
Die Tendenz zur Auflösung der Flächen, zu Leichtigkeit und Transparenz hat Vera Bonsen konsequent weiter verfolgt. Sie experimentiert mit verschiedenen Techniken von Faltung, Schichtung, Perforierung bis hin zum Papierschnitt. Er wird ihr adäquates Medium, dem die Linie als wesentliches Gestaltungselement zu Grunde liegt. Bereits die Arbeiten der „Viceversa“ - Serie (2014) wirken leicht und durchlässig, das linear geschnittene Material scheint aus dem Untergrund heraus zu wachsen und legt sich in Faltungen und Wellen übereinander.
Von einfachen Strukturen ausgehend, entwickelt sie ein immer komplexeres System farbiger Schnitte mit vier oder fünf hintereinander liegenden Schichten, bevorzugt in Formaten von Quadrat, Rechteck oder Kreis. Die mit dem Skalpell geschnittenen Papiere überlagern sich, sind mit tieferen Schichten verknüpft und verwoben und erinnern an filigrane Gewebe und Flechtwerke.
Vera Bonsens Papierschnitte leben aus der Spannung von malerischer Dichte und geheimnisvollem Tiefenraum, aus dem Spiel mit der Wahrnehmung im Wechsel von Licht - und Schatten und hell-dunkel changierenden Farbtönen.
Die faszinierende Vielschichtigkeit ihrer Papierkunst kulminiert in 9-teiligen Serien mit Kreisformen, die jeweils den Farben Gold und Blau gewidmet sind
(„nicht alles Gold…“ / „L’Heure Bleue“ / 2014).
Allerdings weiß sie um die Schwierigkeiten mit der anspruchsvollen und heiklen Goldfarbe zu arbeiten und sucht neue Wege zu gehen. Durch ihre Technik von Schicht - und Linienaufbau gelingt es, das Material „fadenscheinig“, zerschlissen werden zu lassen, den Goldton mit anderen Farben zu brechen und in Streifen zu zersetzen.
Indem sie dem Gold etwas von seiner Pracht und seinem Glanz nimmt, appelliert sie an die Prozesse der Zeit und des Vergänglichen und weist über die Materie hinaus auf eine meditative, spirituelle Ebene.
Dr. Ulrike Hauser-Suida