Wiener Zeitung: 'Melodien und metallene Klänge'
Der Rhythmus macht die Musik. Ein Motto, das speziell in K. Czellniks Inszenierung von Pietro Mascagnis Operette „Si“ zum tragenden Element wurde. Denn die Entscheidung, anstelle der gesprochenen Textpassagen die Geräuschkomponistin Eva Pöpplein agieren zu lassen- die- passend zum Inhalt- das Überhandnehmen der technokratischen Welt in metallene Klänge überführt und zwischen den insgesamt 18 Szenen eine Art Apotheose des Schrecklichen hinzukomponierte, prägte das Gesamtbild des Abends.
Daß dieser Kunstgriff den düsteren Kern des Werkes massiv verstärkte und gleichzeitig einen schroffen Kontrapunkt zu Mascagnis melancholisch verführerischer Klangwelt setzte, brachte der Hamburger Regisseurin Samstagabend bei der Premiere in der Volksoper einen vehementen Buhorkan ein.
Eine Welle an Empörung, die aber nicht ganz gerechtfertigt scheint. Denn trotz so mancher optischer Überfrachtung trifft Czellniks Konzept das Herz der Operette und zeigt die grenzelose Einsamkeit der Protagonisten in einer betörenden und gleichzeitig abschreckenden Weise.
Ähnlich wie in Mascagnis Werk (in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln) die Grenze zwischen Operette und Oper scheinbar fließend gesetzt ist, wird ein subkutanes Spannungsfeld zwischen originalen und neuen Klängen evoziert. Ein unterschiedliches Pulsieren zwischen Zeit und Zeitgeist, das die tragische Heldin Si (Eva Lind) ebensowenig zu einer inneren Harmonie vereinen kann wie Luciano (Dario Schmunck) , Vera (Elisabeth Kulmann) und Cleo (Oliver Ringelhahn)
Im Zentrum steht die Liebe, oder besser gesagt das Unvermögen der Protagonisten, den kurzen Anklängen von Glück Dauer zu verleihen, was sich auch in den kalt anmutenden Bühnenbild– und Kostümver-drahtungen von Vera Bonsen spiegelte.
Auf musikalischer Seite (Dirigent: Marc Piollet) gab es speziell für Eva Lind und Elisabeth Kulmann einhellige Begeisterung. Aber auch Orchester und Chor der Volksoper ernteten zu recht viel Beifall…
Fazit: Eine mit Sicherheit umstrittene Neudeutung von Pietro Mascagnis trauriger Operette, die dann empfehlenswert scheint, wenn man einerseits den Zugang zu neuen Kompositionstechniken hat und andererseits den Kontrast zwischen Melodie und kühler Geräuschkulisse nicht als störend, sondern als interessanten Hörwinkel interpretieren kann…